Private Unfallversicherung – PUV –

Allgemeine Feststellungen:

Unfall:

In der privaten Unfallversicherung (PUV) gelten nicht die gleichen Voraussetzungen wie in der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft); jedoch sind auch Ähnlichkeiten festzustellen.

Ein Unfall liegt dann vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Schädigung erleidet.

Beispiel:
Sturz von der Bordstein- oder Treppenstufe mit Verstauchung oder Fraktur des Sprunggelenkes.

Gegeben sind: Plötzliches Ereignis, wirkt auf den Körper und ist unfreiwillig.

Eine wichtige Ergänzung:

Als Unfall gilt auch:

Wenn bei erhöhter Kraftanstrengung an:

  • Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird

                   oder

  • Muskeln, Sehnen, Bänder oder Gelenkkapseln gezerrt oder zerrissen werden.

Grundlage der medizinischen Bewertung:

                               Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen – AUB –

Bewertet wird:

Die dauernde Beeinträchtigung der körperlichen und (oder) geistigen Leistungsfähigkeit.
Damit ist im versicherungsmedizinischen Sprachgebrauch die Invalidität gemeint.

Gliedertaxe:

Die Feststellung des Grades der Invalidität geschieht teils nach
feststehenden Sätzen teils nach einem allgemeinen Bewertungsmaßstab.

Feststehende Sätze für Verlust oder Gebrauchs-/ Funktionseinschränkung von Gliedmaßen nennt man Gliedertaxe.

Die Gliedertaxe stellt einen konkreten Maßstab dar.
Es gelten ausschließlich anatomisch funktionelle Gegebenheiten.
 
Beruf, Tätigkeit, Erwerbsminderung, Grad der Behinderung, MdE etc. spielen in der Bewertung keine Rolle.

Beispiele der Gliedertaxe

Als feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit:


Arm im Schultergelenk70 Prozent
Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenkes           65 Prozent
Arm unterhalb des Ellenbogengelenkes60 Prozent
Hand im Handgelenk55 Prozent
Daumen20 Prozent
Zeigefinger10 Prozent


Bein über Mitte Oberschenkel                                  70 Prozent
Bein bis Mitte Oberschenkel                                      60 Prozent
Bein unterhalb des Knies50 Prozent
Bein Mitte Unterschenkel45 Prozent
Fuß im Fußgelenk40 Prozent
große Zehe  5 Prozent
alle anderen Zehen  2 Prozent


Auge                                                                                   50 Prozent
Gehör auf einem Ohr                                                   30 Prozent
Geruch10 Prozent
Geschmack  5 Prozent

Ein Unfall im Versicherungssystem der privaten Unfallversicherung wird erfreulicherweise nur sehr selten mit einem vollständigen Verlust eines Körperteils / Gliedmaße einhergehen.


Daher:

Regelmäßig zu bewerten ist daher auch ein Teilverlust oder Teilfunktionseinschränkung
eines Körperteils / Gliedmaße.

Medizinisch bewertet werden muss dann ein entsprechender Teil des Prozentsatzes.

Beispiel:        Verlust des Fußes im Fußgelenk: 40 Prozent

  • Funktionseinschränkung im Sprunggelenk nach Bruch könnte z.B. mit 1/2 des Fußverlustes

                         bewertet  werden.

Weiteres Beispiel und Auswirkungen: s.u.

 Zur besonderen Beachtung:

Es ist nicht festgelegt, ob die Gebrauchs- / Funktionsminderung eines Teilbezirkes einer Gliedmaße nur lokal zu bewerten ist, oder ob das gesamte funktionelle System der Gliedmaße einzubeziehen ist.

Das kann von erheblicher Bedeutung sein.

Auszug eines Beispiels:
                         >> operierte Sprunggelenksfraktur;
                         >> Beeinträchtigung bezieht sich auf das gesamte Bein;
                         >> z.B. durch therapiebedingten Muskelschwund am Oberschenkel.

Es liegt auf der Hand, dass hierzu ein bedeutsamer Unterschied in der Leistungspflicht der Versicherung besteht.

Außerhalb der Gliedertaxe

Vorwiegend Verletzungen von:

                       >> Gehirnverletzungen,
                       >> Wirbelsäulenverletzungen,
                       >> Verletzungen der Atmungs-, Bauch- und Harnorgane.

Die Bestimmungen zur Beurteilung im Rahmen der AUB lauten:

Werden durch den Unfall Körperteile oder Sinnesorgane betroffen, deren Verlust oder Funktionsunfähigkeit nicht nach der Gliedertaxe geregelt sind, so ist für diese maßgebend, inwieweit die 

                      >> normale,
                      >> körperliche,
                      >> und geistige Leistungsfähigkeit

unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte beeinträchtigt ist.

Zur Ergänzung:

Unter „normal“ ist in dem Zusammenhang zu verstehen, dass besondere, außerhalb der Norm liegende individuelle Fähigkeiten und Begabungen außer Betracht zu lassen.

Die Bewertung von Unfallfolgen außerhalb der Gliedertaxe werden nicht in Bruchteilen, sondern ausschließlich in Prozent angegeben.

Der Dauerschaden / Die Invaliditätsleistung

Die Voraussetzung einer Invaliditätsleistung ist in der Regel der Abschluss des Heilverfahrens innerhalb des ersten Unfalljahres.

Dabei wird zunächst festgelegt, ob ein Dauerschaden zu erwarten ist:

Daher:

Die Höhe der Invaliditätsleistung richtet sich nicht nach dem frühen, z.B. nach einem Jahr erkennbaren Invalidität, entsprechend dem dann vorliegenden Befund, dem so genannten Zeitschaden, sondern nach dem Dauerschaden, der  nach einem Jahr vielfach noch nicht endgültig beurteilt werden kann.

Weiter!
Die in den AUB (alle drei Fassungen) gesetzte 3-Jahresfrist beinhaltet auch keineswegs die Vorgabe, dass die Bemessung des Invaliditätsgrades nur auf die konkreten Befundverhältnisse am Ende der 3-Jahresfrist abzustellen ist.Vielmehr gilt für den Sachverständigen die Vorgabe, dass zur Feststellung der zu regulierenden Invaliditätsleistung die Beurteilung auf den medizinischen Sachverhalt abgestellt werden muss, der am Ende der 3-Jahresfrist auf Dauer erkennbar ist.

Das heißt:
Der medizinische Sachverständige muss also auch zwingend prognostische Aspekte der Unfallschadensfolgen über den 3-Jahreszeitraum hinaus beurteilen.

Hierzu gelten die Beweisregeln des Zivilrechtes.

Diese besagen für den konkreten Fall:

Zukünftige Änderungen in den Unfallschadensfolgen, etwa im Sinne einer Verschlechterung, bedürfen über die bloße Möglichkeit hinaus den Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit.

 
Erfahrungsgrundsatz:

 Diese Forderung einer Invaliditätsbemessung in Orientierung an einem erst zukünftig vorliegenden definitiven Dauerschaden bleibt nicht selten unberücksichtigt.

 
Daraus kann folgen:

Die erhebliche Benachteiligung von Unfallbetroffenen.

Näheres in der Rechtssprechung:     BGH: Urteil v. 30.06.1958. VersR 58:
                                                                       507, WJ v. 10.01.1983.

Beispiel:

Unfallschaden: Schienbeinfraktur im Kniegelenk;

  • schlecht verheilt;
  • grobe Fehlstellung der Beinachse;
  • Bewertung vor Ablauf der 3-Jahresfrist: 1/5 Beinwert;
  • weitere Verschlechterung wäre jedoch zu erwarten gewesen mit der Ausbildung einer schweren unfallbedingten Arthrose. (posttraumatische Arthrose);
  • daher wäre der Invaliditätsgrad vor Ablauf der 3-Jahresfrist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit mindestens 2/5 – 3/5 einzuschätzen gewesen.

Dem Unfallverletzten ist damit ein erheblicher geldwerter Nachteil entstanden, der nicht mehr korrigierbar ist.
 

Bewertung von Mehrfachverletzungen

Bei mehrfachverletzten Personen (polytraumatisierten Menschen), sind regelmäßig Verletzungsfolgen an mehreren Körperteilen / -organen zu erwarten, was zu Regulierung einer Invaliditätsleistung eine Begutachtung u.U. auf mehreren ärztlichen Fachgebieten erforderlich macht.

Die Versicherungen beauftragen zumeist einen Hauptgutachter.
Dieser sollte regelmäßig ein erfahrener Unfallarzt sein.
 
In der privaten Unfallversicherung werden alle Einzelbewertungen – die Ergebnisse aus den einzelnen Schadensbildern – additiv zusammengefasst.

Dies gilt auch für den unfallmedizinischen Sachverständigen, der im – Extremfall- für alle vier Extremitäten eine Invaliditätsbemessung abzugeben hat, u.U. zusätzlich eine prozentuale Einschätzung für die Folgen eines Wirbelsäulenschadens, dennoch auch innerhalb seines Fachgebietes keine subsumierende Zusammenführung der einzelnen Bemessungen vornehmen darf.

Anders als die subsumierende Zusammenführung mehrerer Unfallfolgen an einer Extremität, kommt bei Unfallfolgen an mehreren Extremitäten nur die reine Addition der Einzelbewertungen in Betracht.

Es gilt grundsätzlich nach vertraglicher Vereinbarung:
Die zu regulierende Gesamtinvalidität beträgt maximal 100 %.

Beispiel aus der Praxis

Wie gesehen: 

Totalverlust des Armes:      70 Prozent;
Versicherungssumme:         100.000 Euro. 

Bei Verlust des gesamten Armes, wäre die Versicherungsleistung
                                                      70.000 Euro.

Aufgrund gutachterlicher Feststellung bei einem Oberarmbruch wurde die Invalidität auf 1/10 Armwert eingeschätzt.

In der Nachuntersuchung im PC – Institut auf Initiative des Unfallverletzten, ergaben sich an Unfallfolgen:

Aus dem Befund u.A.:

  • mehr als hälftige Bewegungseinschränkung im Schultergelenk;
  • weitgehende Verschmächtigung der Muskulatur;
  • Funktionseinschränkung im Ellenbogengelenk;
  • unfallbedingte Arthrosezeichen;
  • Narbenbildung durch Operationsfolgen;
  • massive Beschwerden;
  • röntgenografische Veränderungen.

Zur Auszahlung der Versicherungsleistung kamen gemäß dem ersten Gutachten: 

                                                                7.000 Euro.

Aufgrund der dargestellten Unfallfolgen konnte indessen der Invaliditätsgrad mit
                                                              2/3 Armwert
festgestellt werden, was gerichtlicherseits bestätigt wurde.

Letztlich kamen zur Auszahlung:
                                                            ca: 47.000 Euro

Schlussfolgerung:
 
In einem biologischen System, dass den Menschen darstellt und bewerten soll, kann es keine Regeln geben wie etwa in technischen Arbeitsabläufen, z.B. zur Herstellung eines Präzisionsproduktes.

In der Schadensbewertung nach körperlichen Unfallfolgenergeben sich daher stets Ermessenspielräume von erheblicher geldwerter Bedeutung.

An dieser Stelle empfiehlt sich ein Rückblick auf:

                                                    Das Gutachterproblem.
Klicken Sie diesen Punkt zur ergänzenden Information an.

 
Leistungsspektrum des PC Pesch Consult-Programms in der
PUV = privaten Unfallversicherung:

  • sachbezogene Beratung ausschließlich durch erfahrenen Unfallarzt mit versicherungsmedizinischer Grundlagenkompetenz;
  • Besprechung etwaiger Vorgutachten;
  • gemeinsames Verstehen der Problematik;
  • richtungweisende Entscheidungsfindung;
  • Handlungskonsequenz bei fehlerhaften Vorentscheidungen.


 Copyright © Irene und Dr. Rainer Althaus